, Siegrist Margit

Weissdorn (Crataegus)

Eine wichtige Zwischentracht mit echtem Mehrwert für Gesundheit und Natur

Der Weissdorn (Crataegus)

Früher ein wichtiger Bestandteil der Landschaft, ist heute der Weissdorn zum grossen Teil verschwunden. Hagedorn, Hagäpfeli, Christdorn, Heinzelmännerchen, Mehldorn, Mehlkübeli, Mehlwieken, Wyßdorn oder Zaundorn...der Weissdorn erhielt vom Volksmund viele Namen, ein Echo seiner breiten Verwendung und der Bedeutung im (Aber)Glauben. Als Zaun oder eben Hag stand er in der Landschaft, hielt mit seinen Dornen den Wind und unliebsame Tiere (oder Menschen) von den Weiden fern und die Weidetiere drinnen. Auch um die Hofstelle und das Haus pflanzte man ihn gerne, wohnten doch angeblich gute Geister in ihm und vertrieben böse Mächte wie die "Hagazussa", die Hagweiber oder Hexen, die draussen herum schlichen. Zudem konnte man die Früchte zum Strecken des kostbaren Mehls nutzen, sie anderen Früchten beim Einmachen als gutes Geliermittel beigeben und auch ein schwaches Herz damit wieder in Schwung bringen. Und musste ein Weissdorn gefällt werden, gab das gutes, sehr hartes Holz, ideal für Werkzeugstiele und Spazierstöcke. Diese Arbeit brachte den Höfen noch einen kleinen Zusatzverdienst, wenn sonst im Winter nichts zu tun war.

Auch wenn man heute diesen Strauch oder kleinen Baum nicht mehr auf diese Weise nutzen will, sollte man ihm wieder öfter einen Platz in unseren Gärten und auch in der Landschaft einräumen, denn sein ökologischer Nutzen ist immens.  Nicht nur unsere Honigbienen lieben ihn als wichtigen Lückenfüller nach der Frühlingsblüte, sondern allein 16 Sandbienenarten brauchen den Pollen für ihre Brut. Als Nahrung dient der Weissdorn (nach dem bekannten Autor Helmut Hintermeier) zudem 64 Gross- und 53 Kleinschmetterlingen, 5 Dutzend Käferarten und die Früchte sage und schreibe 32 Vogelarten. Alles sehr gute Gründe, den Weissdorn in den Garten zu holen! Dazu kommt eine wundervolle Blüte im späten Frühling, schmückende Früchte im Herbst und positive Wirkungen auf die Gesundheit, wenn man selber Tee, Tinktur oder Oxymel herstellen möchte.

Wissenschaftlich gehört der Weissdorn zu den Rosengewächsen (Rosaceae) und dort zu den Kernobstgewächsen (Pyrinae), was mit ein Grund für sein Verschwinden aus der Landschaft war, denn er kann am Feuerbrand  erkranken und ihn auch übertragen. Auch alle anderen Obstschädlinge kann er beherbergen, allerdings glücklicherweise auch ihre Feinde. So braucht zum Beispiel der gefährdete Neuntöter unbedingt Weiss- und Schwarzdornsträucher, um Beutetiere dort "zwischenzulagern" für magere Zeiten und ungezählte Kleintiere finden in seinen dornigen Zweigen Schutz und Unterkunft.  Übrigens wird  der Name Weissdorn durch den Farbunterschied zum Schwarzdorn/Schlehe entstanden sein, denn im Gegensatz zu ihm hat er eine deutlich hellere Rinde, wenn man beide in einer Hecke gemeinsam sieht. Während der Schwarzdorn im April schon blüht, folgen die verschiedenen Weissdornarten zeitlich versetzt im Mai und Juni - ideal für alle Insekten also!

Weltweit gibt es laut Wikipedia 200-300 verschiedene Weissdornarten, die meisten davon in Nordamerika. Hier bei uns in der Schweiz sind nur zwei Arten einheimisch: zuerst blüht der Zweigriffelige Weissdorn (C. laevigata, früher oxyacantha), mit seinen nur leicht gelappten Blättern und der weiss bis rosafarbenen Blüte mit 2-3 Griffeln in der Blüte. Von ihm gibt es ab und zu die Unterart Rotdorn in den Gärten zu sehen, die mit roten und -leider- gefüllten Blüten aufwartet und somit nicht empfehlenswert ist.  Etwa zwei Wochen später blüht dann der Eingriffelige Weissdorn (C. monogyna) , von dem es laut Infoflora noch drei Unterarten gibt, die aber selbst für Experten manchmal nur schwer auseinander zu halten sind (zudem kreuzen sich alle Weissdorne auch gerne untereinander). Seine Blüten sind immer weiss, enthalten nur einen Griffel und später dementsprechend die Früchte auch nur einen Kern. Blüht er nicht, erkennt man ihn an den deutlich stärker gelappten Blättern.

Der Weissdorn ist ein unkomplizierter Geselle und kommt auch mit mageren Böden und nicht optimalen Standorten zurecht, auch wenn er grundsätzlich nichts gegen einen guten, kalkreichen Boden einzuwenden hat. Den dankt er dann mit grossem Blütenreichtum, zumindest so lange es nicht zuviel Stickstoff im Boden hat. Da alle Weissdornarten sehr schnittverträglich sind, eignen sie sich auch sehr gut für Hecken im Siedlungsbereich. Dabei schneidet man am besten direkt nach der Blüte, denn ab etwa Juli bildet der Strauch die Blütenknospen für das nächste Jahr. Wer also zu spät schneidet, bringt sich selber um die wunderschöne Blütenpracht. Je nach Schnitt wird der Weissdorn etwa 2m bis - ungeschnitten- 6 m hoch. Als Tiefwurzler ist er übrigens sehr sturmfest und auch der Verbiss von Tieren kann ihm nicht viel anhaben. Nicht umsonst wurde er schon von den Römern bis hinauf nach England als Umfriedung der Weiden gepflanzt und auch heute noch wird dort teilweise sogar reiner Weissdornhonig geerntet. Denn der Weissdorn hat immerhin einen Nektar- und Pollenwert 2 (von 4 Stufen nach Günter Pritschs Buch "Bienenweide") und seine Blütenfülle zieht die Bienen magisch an, die dann dort auch die braungelben Pollenhöschen ernten, die man zur Blütezeit öfters im Bienenstock bemerkt.  Der Honig soll übrigens durchaus auch medizinische Wirkung haben, generell verwendet man aber Blätter, Blüten und Früchte als Tee oder in Kapseln oder Tropfen verarbeitet.  Diese gelten vor allem als herzstärkend, durchblutungsfördernd und beruhigend, helfen bei Herzbeschwerden, Nervosität, Arteriosklerose, Stress, Schlafstörungen und bei der Nachbehandlung von Infarkten. Die sehr mehligen Früchte kann man unter andere Früchte mischen oder mit ihnen ein gesundes Oxymel (auch Sauerhonig genannt) herstellen:  6 Teile Honig, 2 Teile guten Essigs und 1 Teil Weissdornfrüchte werden in ein luftdichtes Gefäss gegeben und 4 Wochen ziehen gelassen,  dabei schüttelt dabei immer wieder vorsichtig und seiht am Schluss die Mischung ab. Sie hält sich ohne Probleme ein Jahr lang und ergibt, mit Wasser verdünnt, ein erfrischendes und stärkendes Getränk. 

Möchte man einen Weissdorn vermehren, bieten sich sowohl die Samen als auch Steckhölzer an. Die Samen sind allerdings Kaltkeimer und brauchen erst einmal eine Kältephase, um zum Leben zu erwachen. Während die Saat des Eingriffeligen Weissdorns recht zügig keimt, kann sich die des Zweigriffeligen schon mal bis zu 3 Jahre Zeit lassen. Da ist es idealer, wenn man im Umfeld eines schönen Exemplares gleich passende Keimlinge findet. Möchte man einen bestimmten Weissdorn vermehren, z.B. weil er besonders schön blüht (oder zeitlich versetzt zu allen anderen in der Umgebung), helfen nur Stecklinge bzw. Steckhölzer im Frühling aus einem einjährigen Trieb, etwa eine Hand lang und mit passenden Knospen. In Bewurzelungspulver getaucht, etwa zu 2/3 in gute Erde gesteckt und mit einer Plastiktüte überspannt als Verdunstungsschutz, hat man den grössten Erfolg.Diese Jungpflanzen hält man einige Zeit im Topf, bis sie gross genug sind, um an ihren endgültigen Platz umzuziehen. Ich wünsche euch gutes Gelingen, damit dieser wertvolle Baum wieder häufiger in unserer Landschaft zu sehen ist!