, Margit Siegrist

Sonnenblumen (Helianthus)

Ja, die Sonnenblumen ... die sind aber doch schon längst verblüht, oder?

Für die einjährigen Sonnenblumen, die man sofort gedanklich vor Augen hat, stimmt das. Aber es gibt noch mehrere wunderbare Arten der Staudensonnenblumen, die um diese Zeit erst richtig blühen!

Beide Vertreter möchte ich euch hier vorstellen, denn ob ein- oder mehrjährig, beide lohnen sich für den Garten oder rund um den Bienenstand.

Beginnen wir erst einmal mit der einjährigen Sonnenblume (Helianthus annuus), die jetzt schon ihre Samen bildet und überall auf den Feldern ihre Köpfe hängen lässt, um ihre Kerne vor dem Regen zu schützen.

Sie ist die drittwichtigste Ölpflanze weltweit und wird in der Schweiz 2021 auf 4600 Hektar angebaut, mit 13 700 Tonnen prognostizierter Ernte (Zahlen Swiss Granum, Stand September 2021. Der Anteil der Bioflächen bei Ölpflanzen nahm übrigens um 9,3% im Vergleich zu 2020 zu, was uns Bienenhalter natürlich doppelt freut).

Einerseits wird die Ernte zu Öl gepresst, das vielerlei Verwendung als Speiseöl, für Backwaren, aber auch Treib- und Schmierstoffe findet. Weniger bekannt ist seine medizinische Wirkung äusserlich bei Wunden und Rheuma (oft verbunden mit anderen Heilpflanzen) und innerlich bei Verstopfung.

60 Sonnenblumen ergeben etwa ein Liter Öl, da bleibt also ziemlich viel Trester zurück. Dieser Pressrückstand ist aber ein sehr gutes Tierfutter und wird ebenfalls verwertet.

Andererseits werden die Kerne selbst verwendet, als Müeslizutat und für Backwaren. Aber auch ungeschält nicht nur als Vogelfutter, sondern auch als  Keimsaat (Sonnenblumensprossen werden vor allem in der asiatischen Küche geschätzt) oder geröstet als Knabberei in Spanien, Balkanländern oder in der Türkei.

Das Stroh hingegen wird meist auf dem Feld gelassen. Es ist zu feucht und grob für die Verwendung als Tierstreu oder Brennmaterial. Nur in Ungarn schnitzte man (zumindest früher) allerlei Flöten aus den Stängeln.

Je nach Verwendung gibt es verschiedene Zuchtformen der Sonnenblume, die dementsprechend dem Öltyp, dem Speisetyp, dem Ziertyp für Gärten und zuletzt dem eher unbekannten Futtertyp zugeordnet werden. Beim Futtertyp ist die Blattbildung viel ausgeprägter, so kann die Pflanze als Tierfutter (auch als Silage) dienen oder als Gründüngung die Bodenfruchtbarkeit fördern.

Bei diesen Zahlen und der weiten Verbreitung der Blume in unseren Gärten vergisst man leicht, dass auch die Sonnenblume ein sogenannter Neophyt ist und erst nach der Entdeckung Amerikas zu uns kam.

Denn ihre ursprüngliche Heimat ist nun mal der Amerikanische Kontinent, wobei sie dort schon lange in Kultur war. Schon 2500 vor Christus ist ihre Nutzung in Mittelamerika nachgewiesen und die Inkas verehrten sie angeblich als Abbild ihres Sonnengottes. Verständlich, denn die Sonnenblume gehört zu den sogenannten Kompasspflanzen, die dem Sonnenlauf folgen und erst mit der Bildung der Blüte in Richtung Osten „stehen“ bleiben.

So kamen schon 1552 die ersten Samen nach Europa, wo sie erst als Zierpflanze geschätzt wurde, bis man sie auch als Nutzpflanze entdeckte. Schon im 17. Jahrhundert tauchte sie in Kochbüchern als Zutat von Backwaren auf und sogar geröstet als Kaffee-Ersatz, was man sich geschmacklich gar nicht so recht vorstellen mag.

Während die Kaffee-Variante glücklicherweise in Vergessenheit geriet, eroberte die Sonnenblume in unseren Gärten einen festen Platz. Und auch als Imker freut man sich immer, wenn ein Sonnenblumenfeld in der Nähe angesät wird. Denn der Nektar- und Pollenwert ist mit je 3 angegeben (von 4 Stufen in dem bekannten Buch „Bienenweide“ von G. Pritsch), der Zuckergehalt mit 50-80% und der Honigertrag je Hektar mit 35-50 kg. Auch wenn die Blütezeit in diesem Jahr wegen dem kalten Wetter recht spät begann und viele Bienenhalter schon längst abgeräumt hatten, so kam der gesammelte Honig doch gelegen, um den Wintervorrat zu ergänzen und der wertvolle, dunkelgelbe Pollen der Sonnenblume ist um diese Jahreszeit ideal, um gesunde Winterbienen aufzuziehen.

Und auch der Landwirt darf sich übrigens über eine bessere Ernte freuen, wenn Bienenstöcke in der Nähe stehen. In einem Versuch, bei dem Honigbienen an der Bestäubung gehindert wurden und nur kleinere Wildbienen an die Blüten herankamen, reiften nur 70-86 % der Kerne aus. Denn immerhin sind es allein in einer Sonnenblumenblüte bis zu 15 000 Einzelblüten, die bestäubt werden wollen! Ein idealer Job für die effiziente Honigbiene.

Auch bei anderen Fakten über die Sonnenblume kommt man ins Staunen: Immerhin ist sie eine der fotosynthese-aktivsten Pflanzen und schafft es in einem Tag, alles CO2 in 100 Kubikmeter Luft zu verstoffwechseln (Angabe Wikipedia). Das erklärt auch, warum alle Sonnenblumen bitte in voller Sonne und in nährstoffreichem Boden stehen wollen. Auch genügend Feuchtigkeit sollte vorhanden sein, damit sie „honigen“ können.

Das Gleiche möchten auch gerne ihre langlebigen Schwestern, die Staudensonnenblumen. Ohne volle Sonne mickern sie oder leiden an Mehltau. Einen schönen Platz als „Zaungucker“ oder im Staudenbeet danken sie aber mit langer Blüte, Winterhärte und Langlebigkeit.

Denn Staudensonnenblumen muss man nur einmal pflanzen und hat jedes Jahr wieder Freude an ihnen, sie schlagen ihre einjährigen Verwandten locker im Blütenreichtum und vor allem mit später, langer Blütezeit.

Da ihre Triebe im Winter knapp unter der Erdoberfläche liegen, sind sie für eine ordentliche Ladung Kompost nach dem Rückschnitt im Spätherbst dankbar: 3-5cm schützen die Triebe vor Kahlfrost und wirken als Startdüngung im Frühjahr. Sonst muss man sich um die Stauden nicht kümmern.

Folgende Staudensonnenblumen gibt es üblicherweise im Handel:

  • Die Wald-Sonnenblume (Helianthus atrorubens): sie wächst wild in den lichten, trockenen Wäldern der südöstlichen USA und so benimmt sie sich auch. Sie ist nur etwas für grosse Gärten, denn sie bildet über Ausläufer rasch grössere Bestände. Mit 150-180cm ist sie auch recht gross, bleibt aber elegant und blüht im August/September überreich. Auch Trockenheit macht ihr nichts aus.
  • Die Schmalblättrige Sonnenblume (H. decapetalus) dagegen möchte bitte genügend Feuchtigkeit zur Verfügung haben (wobei alle Sonnenblumen durchlässigen Boden lieben, nasse Füsse mögen sie nicht), dann sind sie robust und blühen wunderschön von August bis Oktober. Die Sorten „Meteor“ und die ähnliche „Capenoch Star“ sind mit 130-170cm auch nicht gerade klein, aber sehr schön für pflegeextensive Beete, vor allem in Kombination mit Herbstastern. „Triomphe de Gand“ dagegen ist mit 100-150cm deutlich kleiner und zahmer, die Blüten ähneln am stärksten von allen der einjährigen Sonnenblume.
  • Die Behaarte Sonnenblume (H. mollis) ist deutlich kleiner mit 80-120cm, verträgt mit ihrer dichten Behaarung besser Trockenheit und blüht im August/September.
  • Die Riesensonnenblumen (H. giganteus) sind wirkliche „Giganten“. Die Sorte „Sheila`s Sunshine“ wird locker 250-300cm hoch und sprengt damit den Rahmen eines normalen Gartens. Sie ist wüchsig, vital und mit einer Blütezeit von September bis November eine der spätesten Staudensonnenblumen überhaupt. „Simon Wiesenthal“ ist mit 100-220cm dagegen deutlich kleiner und blüht auch früher, im August/September.
  • Die Kleinblumige Sonnenblume (H. microcephalus)  „Lemon Queen“ wird angeblich etwa 170cm hoch, allerdings hat das meine Staude im Garten wohl nicht gelesen und ihre strahlend gelben Blüten strecken sich noch weit über die 2m-Marke. Bei ihrer Blütenfülle im August und September sei es ihr aber gerne verziehen. Sie möchte dafür gerne ausreichend Wasser.
  • Mit wenig Wasser kommt „Kellermanns Sonnenblume“ (H.x kellermannii) gut zurecht und bietet (im Gegensatz zu den oben genannten, meist sterilen Stauden) den Vögeln im Herbst auch Kerne. Sie wird etwa 180-200cm hoch , blüht mit September/Oktober auch recht spät und das, als Ausnahme, auch in eher nährstoffarmen Böden

Zwei untypische Sonnenblumenvertreter für „Mutige“ zum Schluss der langen (und doch längst nicht vollständigen) Aufzählung:

  • Die „Weidenblättrige Sonnenblume“ (H. salicifolius var orgyalis) sieht eigentlich überhaupt nicht nach Sonnenblume aus, eher nach Palme! Mit ihren exotisch anmutenden schmalen Blätterreihen rund um den Stängel ist sie auf jeden Fall ein Hingucker. Sie blüht auch sehr spät (Oktober/November) und wird über 200cm hoch, wobei sie mit Trockenheit gut zurecht kommt.
  • Zu guter Letzt gehört auch unser Topinambur (H.tuberosus) zu den Sonnenblumen und ist damit die zweite Art der Gattung Helianthus, die feldmässig angebaut wird.
    Statt der Kerne werden hier die Knollen geerntet, die sehr gesund und wohlschmeckend sind. Man kann sie roh, gekocht oder frittiert verzehren und hat den Vorteil, dass man im Winter je nach Bedarf ernten kann. Und das sollte man im Garten auch fleissig tun, sonst wächst einem die „Erdartischoke“ über den Kopf! Mit 200-250cm gehört sie nicht zu den rücksichtsvollen Gewächsen und nur die Wühlmaus setzt ihr Grenzen. Sie blüht aber auch wunderschön je nach Sorte vom August bis in den November hinein und gehört zu den problemlosesten Gemüsekulturen überhaupt. G. Pritsch gibt ihren Nektar- und Pollenwert mit je 2 an, also auch durchaus beachtenswert. Und mit ihren Knollen lässt sie sich besonders leicht vermehren. Bei allen anderen Staudensonnenblumen geht das aber auch wunderbar über Ausläufer oder Teilung des Stockes. Falls Sie also irgendwo ein besonders schönes Exemplar entdecken, lässt sich der Gartenbesitzer vielleicht zum Tausch gegen ein Glas Honig überreden ...