, Margit Siegrist

Kornelkirsche (Cornus mas)

Im neuen Jahr möchte ich euch ein altbekanntes und doch etwas in Vergessenheit geratenes Wildobst vorstellen, das wirklich einen Platz in unseren Gärten und Hecken (und notfalls in einem Topf auf der Terrasse) verdient hat.
Momentan fällt es sehr schwer, sich überhaupt eine Blüte im Garten vorzustellen (jetzt beim Schreiben bläst ein eiskalter Ostwind ums Haus und lässt die frostigen Temperaturen noch unwirtlicher wirken) und auch die Kornelkirsche steht noch ohne Schmuck da ... aber ihre rundlichen Blütenknospen versprechen schon eine der frühesten Blütenwunder im Jahreslauf.
Fast jeder kennt Forsythien und Zaubernuss als erste Blütenpflanzen – aber leider bieten diese den ersten Insekten keinerlei Nahrung!
Ganz im Gegensatz zur Kornelkirsche (oder Tierlibaum, wie man hier sagt): Laut Günter Pritsch bietet diese einen Nektarwert von 3 und einen Pollenwert von 2 (von 4 Stufen) und das - je nach Wetter - im März oder April, im Jahr 2020 fing er sogar schon am 18. Februar bei uns an zu blühen!
Botanisch gehört der Tierlibaum übrigens zu den Hartriegelgewächsen (Cornaceae), was sich unschwer an seinen eiförmigen Blättern mit der typischen Aderung erkennen lässt – diese erscheinen allerdings erst nach der Blüte. Mit Kirschen (die zu den Rosengewächsen gehören) ist er also nicht näher verwandt.
Je nach Sorte wächst die Kornelkirsche zwischen 2 und 8m hoch, als Strauch oder als Baum, was man durch den Schnitt gut steuern kann.
Die Blüten sind aber immer typisch: kugelige, strahlend gelbe Dolden mit vier gelblich-grünen Hochblättern. Die Farbe der Pollenhöschen, die die Bienen in den Stock tragen, ist ein typisches etwas bräunliches Gelb.
Je nachdem, ob die ersten Weiden schon aufgeblüht sind, ist der Tierlibaum mehr oder weniger umschwärmt – letztes Jahr war er sehr gut besucht.
Der Tierlibaum trägt dann etwa ab August seine typisch oval-länglichen Früchte, meist in kräftigem Rot, es gibt allerdings auch gelbe Sorten.
Diese kann man im Haushalt breit verwenden, vom Frischverzehr (bei Zuchtsorten) bis Marmelade, Gelee und Saft.
Früher wurden die Früchte auch oft zum Ansetzen von Obstbrand verwendet, in Österreich ist der „Dirndlbrand“ auch heute noch sehr gefragt. Zudem wurden sie den Schweinen verfüttert oder als Köder den Fischen angeboten.
Seine vielfältige Verwendung und seine Wichtigkeit für die Versorgung der Bevölkerung spiegelt sich auch in den vielen Namen wieder, die der Strauch/Baum trägt: Dirndl, Herlitze, Dirlitze, Welscher Kirschenbaum, Gelber Hartriegel, Beinholz, Hornkirsche bis hin zur Ruhrbeere (wegen ihrer Verwendung zur Heilung der „Roten Ruhr“).
Aber nicht nur seine Früchte waren gefragt, auch der ganze Rest des Tierlibaumes stand hoch im Kurs!
Das Holz ist schwer, kaum spaltbar und gut zu polieren. Es wurde in neuerer Zeit in der Drechslerei und Wagnerei verwendet, für Radspeichen, Messergriffe, Spazierstöcke, Schusternägel, für Holzhämmer und Kämme.
Aber schon im Altertum wurde es (gemäss Wikipedia) wegen seiner Härte und Zähigkeit geschätzt, angeblich wurde schon das Trojanische Pferd aus seinem Holz gebaut. Ganz sicher aber war es der wichtigste Rohstoff für die Sarissen (bis zu 6m lange Lanzen), die unter anderem die militärischen Erfolge Alexander des Grossen möglich machten. In Dichtung und Geschichtsschreibung wurde die Kornelkirsche sogar als Synonym für Lanzen und Speere gebraucht, so klar war es, dass nur dieses Holz das Beste war.
Aber die Nutzung geht sogar noch weiter zurück, denn in jungstein- und bronzezeitlichen Siedlungen fand man teils beachtliche Schichten von Kornelkirschkernen. Wobei die Wissenschaftler vermuten, dass auch schon damals ein berauschendes Getränk aus den Früchten hergestellt wurde.
Auch die Rinde wurde genutzt – mit 7-16% Lohgehalt ist sie ein guter Gerbstoff. Und die Kornelkirsche liefert auch einen Farbstoff ... die alten, roten türkischen Fez wurden damit gefärbt, aber auch bei uns war sie als Färbepflanze bekannt.
Wer nun denkt, das wäre alles, wird erstaunt sein. Der Tierlibaum bietet noch mehr! Er wurde als Kaffeeersatz verwendet (er soll dem Wiener Kaffee sein vanilleartiges Aroma verliehen haben) und auch als Heilmittel.
Ein Bad mit dem Zusatz von Blättern und Rinde (ausgekocht) des Baumes soll gegen Gicht helfen, die Früchte bei Durchfall, Darmentzündung und Magenleiden.
Kein Wunder also, dass man heute auch wieder grosse Institutionen wie die Humboldt-Universität Berlin oder die Hochschule Weihenstephan in Deutschland mit der Erhaltung der Zuchtsorten beauftragt.
Auch in unseren Gärten sollte man sie in Betracht ziehen, denn sie ist ein Alleskönner. Man kann sie als Strauch oder Baum ziehen, aber auch als Formhecke (schon im Barock war sie so beliebt).
Sie nützt den Bienen und Hummeln, sie schenkt uns Blütenfreuden im ausgehenden Winter und Früchte für die Küche im Herbst. Aber auch den Vögeln ist sie Schutz- und Nährgehölz in einem! Und nicht nur Dompfaff, Kernbeisser, Kleiber und Eichelhäher haben Freude an diesem Baum, auch Siebenschläfer und Haselmaus schätzen ihn sehr.
Je nach Verwendungszweck gibt es verschiedene Sorten:
Wer nur nach dem ökologischen Nutzen schaut, der wird die Wildform dieses einheimischen Gehölzes setzen oder eine Zuchtform wie die Sorte „Golden Glory“, die durch Blütenfülle und kleineren Wuchs punktet.
Für die Küche gibt es eine ganze Palette von alten und neuen Sorten, da die Kornelkirsche von jeher auf Fruchtgrösse und -qualität ausgelesen wurde, teils schon von den alten Klostergärten.
„Schönbrunner Dirndl“ ist eine sehr reich tragende Sorte aus Österreich, die gut verzweigt ist und gross wird.
„Jolico“ ist ebenfalls reichtragend und bis 5m hoch.
Kleiner bleibt „Coral Blaze“, die sehr buschig bis etwa 3 m wächst. Noch kleiner ist nur „Kasanlaka“ mit 1,5 bis 2m.
Gelbe Früchte trägt z.B.“Yellow Molalla“.
Wenn man Kornelkirschen vermehren möchte, gibt es drei Möglichkeiten:
Einen Absenker (Zweig zum Boden biegen, teilweise eingraben und auf Wurzelbildung hoffen), Stecklinge aus noch weichem Holz oder Samen (die allerdings stratifiziert werden müssen, sonst braucht man 1-2 Winter Geduld).
Zuchtsorten wird man aber meist veredeln müssen, da auch die Kornelkirsche für guten Ertrag eine zweite in der weiteren Umgebung benötigt.
Was den Boden betrifft ist die Kornelkirsche recht anspruchslos, nur Staunässe und zu starke Trockenheit bekommen ihr nicht gut, vor allem den Zuchtsorten. Auch im Schatten steht sie nicht gerne, lieber sonnig oder zumindest halbschattig.
Übrigens kann ein Tierlibaum richtig alt werden! Ein 250 Jahre altes Exemplar steht laut Wikipedia in Eisleben-Helfta und in Rom soll es eine 800 Jahre alte Kornelkirsche geben haben, was aber vermutlich eher im Bereich der Mythen liegt.
Ich war jedenfalls bei der Vorbereitung dieses Artikels schwer erstaunt, was alles an Geschichten hinter meinem wunderbaren Frühlingsboten im Garten steckt ... ich hoffe, es geht euch ähnlich und ihr findet noch ein Plätzchen für ihn im Garten oder beim Bienenstand!