, Margit Siegrist

Löwenzahn

Am Ende dieses recht ereignisreichen Monats möchte ich euch noch schnell eine selten im Garten geduldete Pflanze vorstellen.
So überreich auch dieses Jahr die Obstbäume geblüht und unsere Bienen gut versorgt haben, eine Blume sorgt in fast jedem Frühjahr zuverlässig für eine Tracht ... der einfache Löwenzahn.
Verschiedenste Namen trägt er im Volksmund, angeblich an die hundert. Kuhblume, Pusteblume, Maienzahn aber auch so despektierliche Namen wie Bettpisser oder Saublume, was er wirklich nicht verdient.
Denn nicht nur unsere Bienen und viele andere Insekten schätzen ihn, sondern er wird auch als Futter-, Heilpflanze und als Salat (vor allem in Frankreich) genutzt.
Laut dem Buch “Bienenweide” von Günter Pritsch hat der Löwenzahn den Nektarwert 3 und den Pollenwert 4 (von 4 Stufen) und bietet diese Gaben über fast 3 Monate von April bis Anfang Juni an, wobei einzelne Pflanzen auch schon viel früher und später blühen.
Ursprünglich wuchs er gemäss Fachliteratur im Himalayagebirge, kam aber schon vor Jahrhunderten zu uns und hat sich bestens eingebürgert.
Wer die Bienen beim Pollensammeln beobachten will, muss schnell sein ... denn wenn der Löwenzahn die Blüten öffnet, ist innerhalb von einer Viertelstunde alles leer gesammelt. Laut Helmut Hintermeier wird über die Hälfte aller Pollenhöschen von den Bienen zwischen 7 und 9 Uhr eingetragen.
Aber nicht nur die Honigbienen profitieren. Laut Paul Westrich ist der Pollen für 41 Furchenbienenarten, 28 Sandbienenarten und 3 Mauerbienenarten wichtig, der Nektar wird natürlich auch von einer grossen Vielfalt anderer Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlingen genutzt.
Was man oft vergisst, sind die Vögel ... von den kleinen gerippten Samen ernähren sich zum Beispiel Grünfinken,Gimpel und Stiglitze. Und jedes Kind kennt das schöne Pusteblumenspiel, bei dem die kleinen Schirmchen die Samen weit tragen und die nächste Löwenzahngeneration auf den Weg schicken, sehr zum Ärger aller Besitzer eines “englischen Rasens”.
Interessanterweise gibt es sehr viele Löwenzahnpflanzen, die einen drei- oder sogar vierfachen Chromosomensatz (statt dem normalen zweifachen) tragen und sich somit nicht mehr mit anderen Löwenzahnpflanzen kreuzen können, was eine Unmenge Unterarten und Sonderformen hervorbringt. Was unseren Bienen völlig egal ist, sie besuchen alle Formen und benötigen über 100‘000 Blütenbesuche für 1 kg des aromatischen Honigs.
Durch die lange Pfahlwurzel ist der Löwenzahn nicht nur schwer aus dem Rasen zu bekommen, er hilft der Pflanze sehr bei der  Wasserversorgung, da er Nachschub aus 1 bis sogar 2 Meter Tiefe holen kann ... Trockenheit macht ihm so nicht viel aus und auch die schmalste Ritze im Asphalt kann er für sein Dasein nutzen.
Auch den Menschen hat er schon durch schwere Zeiten geholfen, da er in Hunger- und Kriegszeiten als Nahrungsmittel und seine Wurzel auch als Kaffeeersatz herhielt.
In Frankreich wird er heute noch feldmässig angebaut und vor allem gebleicht auf Märkten verkauft. Vor der Blüte sind die Bitterstoffe noch  nicht so ausgeprägt und so kann man ihn auch bei uns nutzen, wenn man eine dementsprechende Wiese kennt. Doch leider muss man da sehr aufpassen, wie meine Bilder zeigen ... an einem Tag eine herrliche Löwenzahnwiese, ein paar Tage später schon ein mit Glyphosat behandeltes Maisfeld. Was die Berater des Landwirtschaftsamtes als wegweisend und bodenschonend anpreisen, die pfluglose Saat des Maises, könnte für unseren Honig zur Gefahr werden, wie die Ereignisse in Deutschland zeigen. Dort musste eine Imkerei zwei Mal ihren gesamten Honig vernichten, da die Bienen auf solchen blühend abgespritzten Feldern gesammelt hatten! Auch hier zeigt sich wieder, wie wichtig die Information der Landwirte und die Zusammenarbeit mit ihnen ist  - denn kein Bauer wird absichtlich so einen Schaden anrichten wollen.

Auch bei den Gartenbesitzern gilt es, den Löwenzahn ein besseres Image zu geben. Schliesslich kann man ihn für die Gesundheit nutzen und so einen Mehrwert vom “Unkraut” erhalten, das sowieso nur schwer aus dem Garten zu vertreiben ist. Der Löwenzahn trägt nicht umsonst im lateinischen Namen das “officinale”, wie die meisten grossen Heilpflanzen auch.
Er ist harntreibend, leberschützend, regt den Gallenfluss an, hilft bei Verdauungsstörungen und Appetitlosigkeit. Seine Extrakte haben sich als krebshemmend erwiesen und als leistungssteigernd.
Er ist es also wirklich wert, mehr geschätzt zu werden .. .sowohl als Viehfutter als auch als Nahrungsmittel.